Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland steigt: Rund eine Million Menschen arbeiten in dieser Art prekärer Beschäftigung, die viele Nachteile hat. Und zwar nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die deutsche Wirtschaft und die deutschen Steuerzahler. Die IG Metall hat in ihren Branchen schon einige Verbesserungen erreicht. Sie kann aber nicht alles über tarifliche und betriebliche Maßnahmen retten, was die Politik versäumt. Daher geht es um eine stärkere gesetzliche Regulierung für das Ziel „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“. Argumente, die auch auf dem Kurswechsel-Kongress diskutiert werden.
Leiharbeit ist ungerecht
- Leiharbeiter verdienen weniger als Festangestellte. Auch, wenn sie genau die gleiche Arbeit machen. Vollzeitbeschäftigte in einer regulären Arbeit verdienen im Durchschnitt 2.702 Euro, Leiharbeiter im Durchschnitt nur 1.419 Euro (2010). Oft sind Leiharbeiter auf staatliche Unterstützung angewiesen.
- Die niedrigen Löhne der Leiharbeiter werden auch dazu führen, dass viele von Altersarmut betroffen sein werden. Auch dann muss wieder die öffentliche Unterstützung greifen.
Leiharbeit macht krank
- Die Krankenkassen melden, dass Leiharbeitnehmer öfter krank werden als Menschen in einem sicheren und regulären Arbeitsverhältnis. Die Techniker Krankenkasse hat zum Beispiel für 2010 ermittelt, dass sie durchschnittlich 3,5 Tage mehr krank arbeitsunfähig sind. Und dies ist nur die Statistik der gemeldeten Krankschreibungen. Leiharbeiter stehen unter großem Druck, bei einem Einsatz „alles zu geben“ und gehen oft krank zur Arbeit.
- Leiharbeiter bekommen in so manchem Einsatzbetrieb nur eine mangelhafte Sicherheits-Einweisung. Das Risiko für Arbeitsunfälle steigt.
- Leiharbeiter gehören nirgendwo richtig dazu. Sie empfinden sich häufig als „Kollegen zweiter Klasse“, die die gleiche Arbeit machen, aber weniger Rechte haben. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegt, dass Leiharbeiter sich weniger gut in die Gesellschaft integriert fühlen. Die psychische Belastung ist groß.
- Die durch körperliche und psychische Krankheiten entstehenden Kosten trägt dann das solidarische Gesundheitssystem.
Leiharbeit bietet keine Sicherheit
- Fast die Hälfte der Leiharbeitsverträge endet spätestens nach drei Monaten. Das heißt, dass Leiharbeitsfirmen gerne befristete Verträge entsprechend der Einsatzzeiten schließen, und damit das Geschäftsrisiko an die Arbeitnehmer abgeben. Und letztendlich die finanzielle Absicherung an die Allgemeinheit: Denn wer seinen Leiharbeitsjob verliert, braucht staatliche Unterstützung.
- Befürworter von Leiharbeit behaupten, dass Leihbeschäftigte die Chance bekommen, in einen Betrieb dauerhaft übernommen zu werden. Dieser „Klebeeffekt“ funktioniert selten: Nur sieben Prozent der vormals Arbeitslosen schaffen über Leiharbeit den Sprung in reguläre Arbeit. Für Unternehmen gibt es auch keinen Anreiz zur Übernahme, solange sie Leiharbeiter schlechter bezahlen können als Stammbeschäftigte.
Leiharbeit schadet der Wettbewerbsfähigkeit
- Ständig in hohem Tempo fluktuierende Belegschaften dämpfen Qualität, Innovation und Produktionszeiten. Denn gute Qualifikation und Erfahrungswissen sind ein wichtiger Erfolgsfaktor auch bei un- und angelernten Fachkräften mit langer Betriebszugehörigkeit. Die Entscheidung dauerhaft Leiharbeiter einzusetzen, kann sich daher rasch als strategischer Fehler erweisen, wenn zum Beispiel Montagekompetenz verloren geht. Qualitätsproduktion und funktionale Flexibilität vertragen sich eben schlecht mit kurzen Anlern- und Einarbeitungszeiten, hoher Fluktuation und infolgedessen nicht selten unmotiviertem Personal.
Leiharbeit verhindert Perspektiven
- Leiharbeiter sind selten in die Bildungsangebote in ihrem Einsatzbetrieb eingebunden. Und bei der Personal-Qualifizierungs-Planung spielen sie keine Rolle, denn sie gehören ja nicht zum Unternehmen. Die Leiharbeitsfirmen - also die Verleiher - haben auch kein wirtschaftliches Interesse daran, die Beschäftigten weiterzuqualifizieren. Denn sie können sie auch entlassen, wenn niemand sie ausleihen will.
- Der Fachkräftebedarf wird in Zukunft steigen. Angesichts dessen ist es auch volkswirtschaftlich nicht klug, Arbeitnehmer von Qualifizierungsmaßnahmen abzuschneiden.
Leiharbeit ist ungerecht, entwürdigend und belastet die Allgemeinheit. Niedrige Löhne bedeuten auf der einen Seite immer mehr auf Transferleistungen angewiesene Beschäftigte, und auf der anderen Seite immer weniger Geld für die sozialen Sicherungssysteme. Die IG Metall sieht die Bundesregierung in der Pflicht, Leiharbeit stärker zu regulieren.
Sie fordert, …
- … dass ungerechtfertigte Lohnunterschiede zwischen Leiharbeitskräften und Stammbelegschaften gesetzlich unterbunden werden (Equal Pay).
- … dass eine begrenzte Überlassungsdauer wieder eingeführt wird. Das würde bedeuten: ein Betrieb kann einen Leiharbeiter nur zeitlich begrenzt einsetzen. Das wiederum verhindert, dass Leiharbeiter langfristig Stammbeschäftigte ersetzen.
- … dass das Synchronisationsgebot wieder eingeführt wird. Das würde verhindern, dass eine Leiharbeitsfirma jemanden nur für einen begrenzten Zeitraum einstellt, also „synchron“ zum Bedarf des Entleih-Betriebs.
- … dass die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte in den Entleih-Betrieben bei Leiharbeit ausgeweitet werden.
Eine gute Möglichkeit, die berechtigten Positionen der IG Metall durchzusetzen, besteht darin, keine Tarifverträge zur Leiharbeit abzuschließen. Dann gilt das Gesetz: Equal Pay, gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen. Wenn es ernst gemeint ist, dann müssen die Tarifvertäge der DGB-Tarifgemeinschaft jetzt auslaufen. Die Leiharbeitnehmer, unsere Kolleginnen und Kollegen also, müssen mit allen rechtlichen und öffentlichen Mitteln unterstützt werden, ihren gesetzlichen Ansprcu nach equal pay durchzusetzen!
Lieber Kollege,
so habe ich auch einmal gedacht. Und im Grunde genommen liegst Du gar nicht 'mal falsch. ABER: Die Tarifverträge sind nun 'mal da. Noch immer steht dort drin: "Die Tarifverträge erfüllen die Anforderungen nach §§ 3 Absatz 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG". Bis heute steht das da drin.
Welche Möglichkeiten lässt uns das Gesetz noch:
Option 1: 2013 stehen Tarifverhandlungen mit den Branchenverbänden an. Unsere Tarifforderung müsste lauten: "Keine abweichenden Regelungen iSd §§ 3 Absatz 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG. Den entsprechenden Passus mit der Verweisung auf das AÜG ersatzlos streichen." Und diese Tarifforderung auf den Verhandlungstisch legen. Will die IG Metall das?
Option 2: DGB-Branchentarifverträge kündigen und auslaufen lassen. Die Rechtsnormen gelten dann gemäß § 4 TVG nur noch für die Zeitarbeiter (m/w), die noch bestehende Arbeitsverträge mit Verweisung auf DGB-Tarifrecht haben; danach nicht mehr.
Was sagt denn die DGB-Tarifkommission Leiharbeit dazu?
Vor wenigen Wochen wurden die Branchenzuschläge für die M+E-Industrie und andere Branchen mit den AG-Verbänden der Zeitarbeit vereinbart. Die überwiegende Mehrzahl der Zeitarbeitnehmer wird heute nach vom DGB abgeschlossenen Tarifverträgen bezahlt, in vielen Bereichen der Zeitarbeit wird über Tarif bezahlt, weil qualifizierte Fachkräfte gesucht sind.
Ich finde es äußerst eigenartig, Verräge abzuschließen und kurz danach den Vertragspartner als Geißel der Menschheit darzustellen. Ein Vertrag ist eine Art Versprechen. Ein Versprechen zu brechen braucht es einen guten Grund. Das politische Motiv der Eigenprofilierung halte ich persönlich nicht für ausreichend.
Gibt es eine neue gemeldete Stelle beim Arbeitsamt, springen sofort X Verleihfirmen darauf an und schalten auch ihr Angebot auf diese Stelle. So werden aus einer freien Stelle auf einmal X freie Stellen. Bei uns im Dorf gibt es nur einen einzigen Elektrikermeister. Der hat letzte Woche eine offene Stelle beim Arbeitsamt gemeldet. Nach 3 Tagen war genau DIESE Stelle von 7 Leihfirmen ausgeschrieben worden. Wie ich erfuhr, hat dieser Elektrikermeister diese Leihfirmen nie beauftragt. Als er sich beim Arbeitsamt darüber beschwerte, wurden die Mitarbeiter dort pampig. Dass das Arbeitsamt mit diesen Menschenhändlern paktiert, ist für uns damit entgültig bewiesen
@Tobias
Wenn ich das richtig verstanden habe gibt es in Deinem Dorf einen Elektromeister und sieben Zeitarbeitsunternehmen. Das wäre natürlich eine interessante Markt-situation. Interessant wäre natürlich, wieviele arbeitsuchende Elektroinstallateure es in diesem Mikrokosmos gibt und weshalb sich der Elektromeister bei der Arbeitsagentur beschwert. Kann es sein das 6 der 7 Zeitarbeitsfirmen besser zahlen, ihre Leute fair behandeln und die Perspektive einer Übernahme bei einem guten Kundenbetrieb bieten? Diesen 'Menschenhändler'-Scheiß kann ich nicht mehr hören.
PS: Nix gegen Deinen Elektromeister, ist bestimmt ein hervorragender Arbeitgeber!
Ich bin seit Jahren Leiharbeiter. Was ich erlebt habe, wie Arbeitnehmerrechte durch Leiharbeit mit Füßen getreten werden; was sich Kolleginnen und Kollegen angesichts der Drohkulisse Leiharbeit heute alles gefallen lassen; wie das Mobbing grassiert; wie eklatant der Arbeits- und Gesundheitsschutz vernachlässigt wird; wieviel Ausgrenzung es in den Betrieben gibt; wie Mitbestimmung durch Leiharbeit vereitelt wird; wie Kolleginnen und Kollegen belogen und erpresst werden; wie das Arbeitsklima in den Betrieben zu Wildwest geworden ist - lässt für mich nur noch einen Schluss zu: Leiharbeit ist gesetzlich zu verbieten! Das sagt einer, der Leiharbeit leistet. Das sollte der IG Metall zu denken geben.
Die Leiharbeit hat ihre Legitimation verloren. Die Leiharbeit schadet den Stamm- und Leihbeschäftigten gleichermaßen. Unglaublich, dass die IG Metall eine sklavereiähnliche Arbeitsform noch durch Tarifverträge unterstützt und rechtfertigt. Ich fordere die Auflösung und ersatzlose Streichung aller Tarifverträge für die Leiharbeit. Denn Gleichbehandlung gibt es genau dann, wenn KEIN Tarifvertrag für Leiharbeiter gilt.