Man nehme ein Kilo getrocknetes Gras, etwas Wasser und ein paar Tropfen Zitronensäure und gebe diese Zutaten in einen Schnellkochtopf. Den erhitze man kräftig auf rund 200 Grad Celsius. Der Kochvorgang lässt einen Druck von rund 20 bar entstehen. Und nach rund zwölf Stunden haben sich Gras, Wasser und Säure in ein knappes Pfund Kohle verwandelt.
Natürlich ist der Dampfdrucktopf kein gewöhncher Kochtopf, sondern gasdicht ver-schließbarer Druckbehälter, wie er in der Physik Anwendung findet. Die gesamte Prozedur der Kohlegewinnung im Kochtopf nennt sich hydrothermale Carbonisierung. Und sie ist das Projekt von Reinhard Voges, Betriebsrat der Salzgitter Service und Technik GmbH. Voges will zusammen mit seinen Kollegen neue Technologien ausfindig machen, mit deren Hilfe sich langfristig Arbeitsplätze im Betrieb sichern oder sogar neue Arbeitsplätze schaffen lassen. Wir sprachen mit Reinhard Voges über die Anfänge, den Verlauf und den heutigen Stand des Projekt.
Aus Bioabfällen wertvolle CO2 neutrale Kohle herstellen - wie kommt man auf ein solches Projekt?
Reinhard Voges: Auf einer Tagung vor über fünf Jahren hab ich Professor Peinke Uni Oldenburg kennengelernt. Er wusste von unseren technologischen betrieblichen Möglichkeiten bei der SZST und hat uns deshalb gefragt ob wir als Betriebsrat daran interessiert sind. Dies Angebot haben wir angenommen und seit dem mit ihm und seinem Diplomanden (inzwischen Dipl. Physiker) in sehr engem Kontakt. Er war inzwischen schon viermal bei uns.
Und so nahm alles seinen Lauf.
Welche Hürden mussten umschifft werden?
Voges: Sehr, sehr viele. Erstens musste ich meine Betriebsratskollegen von unserer Idee zu überzeugen, dann die betrieblichen Kollegen, Vertrauensleute und so weiter. Dies ging aber relativ schnell.
Von den betrieblichen Partnern wurden wir anfangs belächelt und nicht ernst genommen! Trotz Infoveranstaltungen auf Betriebsversammlung kam nur wenig Resonanz von der anderen Seite. Wenn wir nicht so einen langen Atem und die Unterstützung der IG Metall gehabt hätten, hätten wir dies nicht erreicht.
Seit einigen Monaten bewegt sich im Unternehmen etwas in die richtige Richtung. Aber nur weil wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben! Mit uns wurde der Dialog nicht aufgenommen, sondern wir mussten immer wieder die Initiative ergreifen und aktiv werden.
Wie hast Du Verbündete gefunden?
Voges: Dies war ein intensiver Prozess…. aber wenn unser Vorhaben in Ruhe und mit Fakten hinterlegt erläutert wurde, dann gab es immer mehr Unterstützer. Viele konnten nicht glauben, was die "Hydrothermale Carbonisierung" (HTC) für eine innovative Technologie ist um CO2 neutrales Material ("Rohstoff der Zukunft") für viele stoffliche und energetische Nutzungen herzustellen (siehe auch Grafik).
Wer hat Euch bei Eurem "Green Tech" Projekt unterstützt?
Voges: Die IG Metall - besonders der Kollege Thomas Müller von der Bezirksleitung Hannover. Durch seine Bemühungen hat sich dann auch das Land Niedersachsen eingebracht. Projektvolumen: 2,3 Millionen Euro, das ist doch schon ganz gut.
Wo steht ihr heute?
Voges: Wie gesagt beim Unternehmen gibt es inzwischen "Interesse" an der metall-urgischen Nutzung von Biokohle. Aber das allein reicht uns nicht. Uns geht es auch darum, dass hier bei uns diese Anlagen entwickelt, erprobt und vermarktet werden. Wir wollen "Green-Tech" pur!
Der Salzgitter Konzern hat die große Chance auch in diesem Zukunftsfeld aktiv zu sein. Es wird ein sehr großes globales Interesse an solchen Anlagen geben zum Beispiel für die Dekarbonisierung (Klimawandel). Hier können viele Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise geschaffen werden. Da durch die IG Metall auch andere Betriebe der Region Braunschweig beteiligt wurden, gibt es eine riesige Chance für die Region Braunschweig und das Land Niedersachsen. Stichwort: Wertschöpfungs-Potential!
Inzwischen haben wir auch engen Kontakt zu interessierten Landtagsabgeordneten, die uns hier aktiv unterstützen. Auch die regionale Industrie- und Handelskammer zum Beispiel war von Anfang an dabei.
Wo wollt ihr Euch morgen sehen?
Voges: Es muss so bald wie möglich eine industrielle HTC-Anlage errichtet und betrieben werden. Mit diesem Erfahrungsschatz werden die Anlagen ständig weiter entwickelt, optimiert und weltweit vertrieben.
Wir, also der Betriebsrat, haben in Niedersachsen ein sehr großes Forschungsnetzwerk geknüpft, wie es in Deutschland und Europa einmalig ist. Mit zurzeit sechs Professoren aus fünf Hochschulen. Weitere werden dazu kommen.
Was ist Dein nächstes Projekt?
Voges: Da denke ich zurzeit nicht dran, da bei unserem HTC-Biokohle-Projekt noch sehr viel zu tun ist.
Deine Wünsche für die kommende Generation?
Voges: Unsere Welt und alles Wirtschaften muss im Rahmen einer sogenannten "Bio-Ökonomie" ohne fossile Rohstoffe wie zum Beispiel Öl, Kohle und so weiter auskommen, um den Klimawandel zu beherrschen und eine Klima-Katastrophe zu vermeiden. Die Fachleute nennen das "Dekarbonisierung" oder CO2-neutrales Wirtschaften. Dies bin ich meinen vier Enkelkindern schuldig!
Hallo,diese Idee ist wirklich genial und es lohnt sich das weiter zu entwickeln..
schöne grüße
Olaf fehse
Hallo lieber Reinhard,
hier meldet sich dein alter "Neuordnungskämpfer". Durch Zufall komme ich auf diese Seite und bin von Deiner Aktivität begeistert. Wünsche gutes Gelingen und Durchhaltevermögen!!
Herzliche Grüße
Claus Drewes