Die Megacities in Asien, Afrika oder Süd- und Mittelamerika wachsen seit Jahren rasant. Und mit ihnen die Verkehrsprobleme. Klaus Beckmann, Professor am Deutschen Institut für Urbanistik, beschreibt die Probleme dieser Städte und wie sie versuchen, sie zu lösen:
Die Mega-Cities in Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika wachsen hinsichtlich der Bevölkerungszahl dramatisch. Das Bevölkerungswachstum auf der Südhalbkugel, aber auch in China und Indien vollzieht sich vor allem in Städten, da in diesen die Hoffnung auf Arbeitsplätze und Versorgung besteht.
Das Wachstum ist in der überwiegenden Zahl unorganisiert, erfolgt in informellen Siedlungen ("squattered areas", "Gecekondular". "townships"). Hier fehlen zumeist dauerhafte Behausungen ebenso wie formelle soziale Infrastrukturen wie Schulen, Gesundheitseinrichtungen oder Läden, technische Infrastrukturen des Verkehrs, der Energie- und Wasserversorgung, der Entwässerung und vieles mehr. Manches wird informell erbracht - etwa zivilgesellschaftlich organisierte rudimentäre Gesundheitsdienste, Produktion oder Verdienst durch Wertstoffverwertung. Besonders mängelbehaftet sind Wasserversorgung, Entwässerung und Mobilitätsdienste bzw. Verkehr.
Wenn aber Mobilitätsangebote fehlen, dann ist zum einen die erhoffte – zum Teil auch informelle – Teilhabe an Ausbildung und Arbeit erschwert oder nahezu unmöglich. Die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen kann ebenso fast nicht möglich sein wie die Nutzung der Stadt als Wirtschaftsstandort, als sozialer Kontaktraum, als Raum einer partiellen Integration. Zum anderen haben die Städte zumeist unzureichende Mittel für aufwendige Infrastrukturvorhaben.
Für die Stadtausdehnung, die Siedlungsdichte und die kollektiven Transportbedürfnisse durchaus geeignete leistungsfähige Systeme des öffentlichen Personen(nah)verkehrs wie S-Bahnen, U-Bahnen, Stadt- und Straßenbahnen sind häufig nicht finanzierbar und können nicht oder nur rudimentär bereitgestellt werden. Folge ist, dass auf der einen Seite die individuelle Motorisierung exponentiell steigt – mit den Folgeproblemen für Flächenbeanspruchung, reduzierte Verkehrssicherheit, Lärm- und Schadstoffemissionen, CO2-Emissionen.
Auf der anderen Seite finden informelle kollektive Formen wie der Einsatz von „Dolmuş“ oder das ungenehmigte Mitfahren auf Güterzügen sowie der Einsatz nichtmotorisierter Mobilitätsformen breiten Einsatz. Die Angebotsdefizite – mit ihren Auswirkungen auf Einschränkungen der Teilhabemöglichkeiten der Menschen - wie auch die Umweltbelastungen sind unmittelbar erkennbar. Hier setzt die Kreativität örtlicher Initiativen, aber auch die Weitsicht von Planern und Politikern an.
So bieten die Stadträume etwa der spanischen oder portugiesischen Stadtgründungen in Süd- und Mittelamerika, der verschiedenen Stadterweiterungsphasen dieser Städte relativ viel Platz. Hier werden die Flächen zu Gunsten oberirdischer kollektiver Systeme neu verteilt. Eine der umgesetzten Ideen ist das Bus Rapid Transit System (BRT). So werden in Curitiba und Bogota Mehr-Gelenk-Busse auf Sonderfahrstreifen mit schienenverkehrsähnlichen Haltepunkten – für einen niveaugleichen Zugang der Fahrzeuge – auf Radiallinien eingesetzt. Tarifgestaltungen ermöglichen relativ breiten Bevölkerungsgruppen die Nutzung. Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit werden kürzeste Fahrzeug-Folgezeiten realisiert. In Außenbereichen ergänzen Kleinbussysteme oder die nicht motorisierten Verkehrsmittel das BRT.
Mega-Cities der Nordhalbkugel – etwa in Nordamerika – lernen, dass leistungsfähige öffentliche Verkehrssysteme wie Straßenbahnen, Stadtbahnen, „Light Rails“ wichtige Erschließungsfunktionen vergleichsweise kostengünstig erbringen können.
Offenbar machen Finanznot und Flächenengpässe erfinderisch. Europäische Städte könnten die Einsetzbarkeit der „erfinderischen“ Lösungen der Mega-Cities vertieft überprüfen.