Ressourceneffizienz als entscheidender Faktor

Prof. Dr. Siegfried Russwurm

Foto: Siemens AG

Prof. Dr. Siegfried Russwurm ist Chef des Industriesektors von Siemens mit rund 100 000 Mitarbeitern und fast 20 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2011.

Wir spra­chen mit ihm über die "grü­nen Wege" des Siemens-Konzerns, die Bedeutung des Standortes Deutschland für das Unternehmen, über den soge­nann­ten Fachkräftemangel und dar­über, wie sich Siemens spe­zi­ell im Bereich der Nachwuchsförderung aufstellt.

Herr Russwurm, Sie neh­men am Kurswechsel-Kongress der IG Metall teil und refe­rie­ren dort im Forum „Industrie auf grü­nen Wegen“. Wie sieht der „grüne Weg“ für Siemens aus?

Russwurm: Weltweit ste­hen wir vor Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel, stei­gen­den Energiebedarf, zuneh­mende Ressourcenknappheit und damit stei­gende Preise für Energie und Ressourcen. Für Industrieunternehmen bedeu­tet das, dass sie heute nicht nur immer fle­xi­bler auf Kundenwünsche ein­ge­hen, ihre Produktivität  erhö­hen und Markteinführungszeiten ver­kür­zen müs­sen. Sondern es bedeu­tet auch,  dass sie nicht zuletzt auf­grund die­ser Kostenentwicklung energie- und res­sour­cen­ef­fi­zi­en­ter – also letzt­lich nach­hal­ti­ger – als jemals zuvor wirt­schaf­ten müssen.

Es lohnt sich dabei durch­aus, über mehr Effizienz in unse­ren Fabriken nach­zu­den­ken. Denn im Schnitt ver­braucht in einem ent­wi­ckel­ten Land wie Deutschland allein die Industrie nahezu 30 Prozent der Endenergie. Ressourceneffizienz ist damit einer­seits ein ganz ent­schei­den­der Wettbewerbsfaktor für die pro­du­zie­rende Industrie, und ande­rer­seits gleich­zei­tig ein wesent­li­cher Umweltfaktor für Länder und Regionen. Deshalb kann das Ziel – auf einen Nenner gebracht – nur lau­ten: mit weni­ger Aufwand mehr Ergebnis erzielen!

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wie unsere Produkte unse­ren Kunden hel­fen, effi­zi­ent und nach­hal­tig zu wirt­schaf­ten. Nehmen wir ein Unternehmen aus dem Industriebereich, das eine neue Produktionsanlage bauen will. Wie stellt es sicher, dass bereits bei Fertigungsbeginn alle Maschinen per­fekt har­mo­ni­siert und alle Prozesse ideal aus­ge­steu­ert sind, und zwar hin­sicht­lich Produktivität und Ressourceneffizienz? Durch Industriesoftware von Siemens. Mit die­ser las­sen sich ganze Fabriken oder ein­zelne Maschinen am Bildschirm ent­wi­ckeln und vorab die Produktion kom­plett simu­lie­ren. Und das, bevor die reale Fertigung beginnt. Das spart Zeit, Material sowie Nachbesserungen im lau­fen­den Betrieb – und damit auch Ressourcen und Energiekosten.

Anwendungen wie diese gehö­ren zu unse­rem Siemens-Umweltportfolio, mit dem wir im Geschäftsjahr 2012 einen Umsatz von knapp 33 Mrd. Euro erzielt haben. Im Jahr 2011 haben wir mit den Produkten unse­res Umweltportfolios unse­ren Kunden gehol­fen, knapp 320 Millionen Tonnen CO2 einzusparen.

Welche Rolle spielt Ihr "Industrie-Sektor" im Konzern?

Russwurm: Im Sektor Industry arbei­ten mehr als 100.000 Beschäftigte und damit weit über ein  Viertel aller Siemens-Mitarbeiter. Mit unse­rem welt­weit ein­ma­li­gen Angebot an Automatisierungstechnik, indus­tri­el­ler Schalt- und Antriebstechnik sowie Industriesoftware stat­ten wir die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen best­mög­lich aus – von Produktdesign und -ent­wick­lung über Produktion und Vertrieb bis hin zum Service. Unsere Industriekunden pro­fi­tie­ren dabei von unse­rem umfas­sen­den, auf ihre Branche und Bedürfnisse abge­stimm­ten Serviceangebot.

Wie wich­tig ist Siemens der Standort Deutschland? Wie, oder mit  wel­chen Maßnahmen sorgt Siemens dafür, dass die Kompetenzen der  Beschäftigten am Standort genutzt, erhal­ten und aus­ge­baut werden?

Russwurm: Sicher ist Siemens mitt­ler­weile in über 190 Ländern aktiv und damit ein gro­ßes inter­na­tio­na­les Unternehmen. Doch die Wurzeln lie­gen ganz klar in Deutschland. Fast ein Drittel unse­rer Mitarbeiter arbei­tet in Deutschland: Mit rund 119.000 Mitarbeitern und ins­ge­samt rund 10.000 Auszubildenden ist Siemens einer der größ­ten deut­schen pri­va­ten Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe.

An die­ser hohen Ausbildungsquote sehen Sie schon, dass wir die Weiterentwicklung unse­rer Beschäftigten sehr ernst neh­men. Das gilt nicht nur für Auszubildende: Chancen zur Weiterentwicklung von per­sön­li­chen und fach­li­chen Kompetenzen bie­ten wir in jedem Karriereschritt an – sei es durch zahl­rei­che berufs­be­glei­tende Programme oder kon­krete Weiterbildungsmaßnahmen. Qualifizierten Fach- und Führungskräften bie­ten wir zusätz­lich die Möglichkeit, berufs­be­glei­tend Studienabschlüsse zu erwer­ben, zum Beispiel den Bachelor in Engineering oder den Master of Business Administration in Growth Management.

Individuelle Entwicklungsmaßnahmen bespricht jeder Mitarbeiter bei Siemens in einem jähr­li­chen Zielvereinbarungsgepräch mit sei­ner Führungskraft. Siemens bie­tet eine Vielzahl von anspruchs­vol­len Kursen in der eige­nen Weiterbildungsorganisation "Learning Campus" an. Mit die­sen klar fokus­sier­ten Fort- und Weiterbildungsprogrammen sind wir sicher, dass wir die Fähigkeiten und Kompetenzen unse­rer Mitarbeiter bestän­dig ausbauen.

Was macht Siemens für sei­nen Fachkräftebedarf – spe­zi­ell im Bereich der Nachwuchsförderung?

Russwurm: Um dem Fachkräftemangel vor­zu­beu­gen, ist es wich­tig, bereits eine attrak­tive  Ausbildung zu bie­ten. Derzeit durch­lau­fen mehr als 7.000 eigene Azubis an rund 40 Standorten in Deutschland eine Ausbildung bei Siemens – nicht nur an Berufsschulen, son­dern auch in eigens dafür ein­ge­rich­te­ten inter­nen Ausbildungszentren. Um den gestie­ge­nen Qualifikationsanforderungen Rechnung zu tra­gen, hat im Herbst bereits jeder Dritte der neuen Auszubildenden in den tech­ni­schen Ausbildungsgängen ein dua­les Studium auf­ge­nom­men. Etwa wei­tere 3.000 junge Menschen bil­den wir für andere Firmen aus. In die Ausbildung der Jugendlichen inves­tie­ren wir pro Jahr rund 180 Millionen Euro allein in Deutschland.

Wir möch­ten den Jugendlichen einen gelun­ge­nen Start in ihr Berufsleben ermög­li­chen. Moderne Lehr- und Lernformen, qua­li­fi­zierte und erfah­rene Ausbilder sowie die Möglichkeit, durch  Auslandsaufenthalte inter­na­tio­nale Erfahrung zu erlan­gen, sind nur einige Beispiele, wie Schulabsolventen von unse­rer lang­jäh­ri­gen Ausbildungstradition pro­fi­tie­ren kön­nen. Die Qualität der Siemens-Ausbildung hat sich auch über die Konzerngrenzen hin­aus her­um­ge­spro­chen: Seit Jahren las­sen viele kleine und mit­tel­stän­di­sche, aber auch große Unternehmen im Rahmen von Kooperationen bei uns ausbilden.

Wo sehen Sie Siemens in 20 Jahren?

Russwurm: Über 165 Jahre Firmengeschichte lie­gen jetzt bereits hin­ter uns: Siemens hat sich von der klei­nen Berliner Hinterhofwerkstatt zum Weltunternehmen ent­wi­ckelt. Diesen erfolg­rei­chen Kurs wer­den wir wei­ter­ver­fol­gen, denn Siemens soll auch in 20 und 50 Jahren ein pro­fi­ta­bles Unternehmen der Spitzenklasse sein.

MEHR ZUR PERSON:
Portrait Prof. Dr. Siegfried Russwurm

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