Warum gedeiht in dem einen Land Wohlstand, während die Menschen in anderen Regionen an Armut leiden? Diese Fragestellung diskutierten die Teilnehmer und Referenten des Forums „Globale Ungleichheit“ am 6. Dezember 2012 in Berlin.
Obwohl die Armut in der Welt abgenommen hat, verstärken sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. So haben in China, Ostasien und in Lateinamerika die soziale Spaltung abgenommen, während sie sich in Afrika verschärft. He Goachao (China), Valter Sanches (Brasilien) und Patrick Bond aus Südafrika erläuterten Merkmale dieser Entwicklungen in ihren Ländern.
Der chinesische Weg zur sozialen Marktwirtschaft
Das ehemals starr sozialistische China hat vor einigen Jahren einen Prozess hin zur sozialen Marktwirtschaft begonnen. Seit Anfang der 80 Jahre wird das zentrale Plansystem reformiert, die Ressourcen werden anders verteilt und die Menschen können sich stärker einbringen. Zudem wird der soziale Schutz verstärkt - allerdings gibt es im Unterschied zu früher jetzt prekäre Beschäftigung und Menschen werden an den Rand gedrängt. Man darf zwar in China nun den Arbeitsplatz frei wählen, doch die öffentlichen Hilfen und die sozialen Leistungen wurden reduziert, beklagt He Goachoa.
Im früheren China wurden die Arbeiter glorifiziert, jetzt sind es die Neureichen. Damals hatten die Arbeitnehmer einen höheren sozialen Status, nun sind es die Reichen. Die politische Macht ist noch immer in wenigen Händen konzentriert. Eines hat sich jedoch noch immer nicht geändert: Früher konnten sich die Reichen bereichern – das ist auch heute noch möglich. In der Wirtschaft sind sogenannte „Wildwestverhältnisse“ eingezogen, so He Goachoa.
Brasilien stellte Weichen neu
Brasilien hat es vor etwa 20 Jahren geschafft, die Diktatur zu überwinden, seither wird dort eine Demokratie aufgebaut. Das berichtet Valter Sanches von der Brasilian Metalworker’s Union aus Sao Paulo. Damals wurde in Brasilien ein Arbeiter Staatspräsident. Zwar gab es schon in früheren Jahren Gewerkschaften, doch sie beschränkten sich auf Verteidigungskämpfe. Das Gesellschaftssystem war klassisch neoliberal. Seither wurden die Märkte immer stärker liberalisiert. Nach dem Ende der Diktatur sind etwa 12 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Doch die Regierung hat die Weichen neu gestellt: Null-Hunger-Programm, Anhebung des Mindestlohns bis 2020. Da nun viele Arbeitnehmer einen Mindestlohn bekommen, hat das zu einer Stärkung der Kaufkraft und des privaten Konsums geführt. Viele Menschen sind aus der Armut aufgestiegen, und ein großer Teil von ihnen in die Mittelschicht. Auch Brasilien rutschte 2008 und 2009 in die große Wirtschafts- und Finanzkrise. Allerdings hat die brasilianische Regierung einen anderen Weg als Europa gewählt: Sie investiert in den Wohnungsbau, die Landwirtschaft und die Industrie. Deshalb sei das Land auch schneller aus der Krise gekommen, so Sanches.
Afrika darf nicht zum globalen Rohstofflieferanten werden
Ein ganz anderes Bild zeichnet Patrick Bond aus Südafrika. Der Professor von der Universität KwaZulu-Natal schildert dramatische Zukunftsvisionen. Wenn in Sachen Klimawandel nichts passiert, werden innerhalb eines Jahrhunderts wegen der Klimazerstörung 200 Millionen Afrikaner sterben. Bond sieht in der Stagnation der Klimafrage das größte Problem von Afrika. Zudem geht die Wirtschaftsleistung permanent zurück. Der Kontinent wird wegen Ölvorkommen und anderer Rohstoffe ausgeplündert. Proteste der Menschen werden häufig mit Waffengewalt niedergeschossen. Die Löhne sinken und die Zinsrate ist hoch. Wenn Afrika reduziert bleibt auf die Funktion als Rohstofflieferant, dann wird dort die Armut weiter zunehmen, warnt Bond.
Die Ungleichheit zwischen den Ländern hat zugenommen, so Christoph Scherrer von der Universität Kassel. Diese soziale Spreizung hat zur Folge, dass sich das Wirtschaftswachstum weltweit verlangsamt. Das bedeutet auch, dass die deutschen Exportüberschüsse nicht auf Dauer finanzierbar sind. Diese soziale Ungleichheit hat ökonomische Folgen und mache auch Europa anfälliger für Krisen. Größere soziale Gleichheit führe dagegen zu größerer Stabilität, stellte Scherrer fest.
Gewerkschaftliche Antworten
Kemal Ozkan von IndustriAll global forderte einen Mindestlohn weltweit, die Einführung einer Finanztransaktionsteuer und mehr Engagement der Gewerkschaften in den Entwicklungsländern. Die gewerkschaftliche Antwort, um globale Ungleichheit anzugehen, sind Abkommen über Mindestnormen, also „Internationale Sozialstandards“. Diese hat die IG Metall inzwischen mit etwa 40 Unternehmen, die international tätig sind, abgeschlossen. Das erläutert Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Sie sieht darin, die beste Möglichkeit um einen weiteren Abbau sozialer Rechte zu verhindern. Außerdem sollten noch zusätzliche Maßnahmen vereinbart werden, beispielsweise Zahlungen an Familien. Dass die Gewerkschaften auf nationaler und internationaler Ebene gestärkt werden und mehr Führung übernehmen, ist ebenso notwendig wie Bündnisse von Seiten der Gewerkschaften mit den Umweltverbänden.
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