Demokratische Willensbildungsprozesse und Institutionen verlieren offenkundig an Bedeutung. Dies lässt sich unter anderem an der Wahlbeteiligung, dem Zustand der politischen Parteien und einer wachsenden Politikverdrossenheit ablesen. Administrative Entscheidungen und Lobbyismus dagegen gewinnen an Gewicht. Weiterlesen
Auf einen Blick: Die Ergebnisse des Kongresses als Broschüre
Mitbekommen, wie´s gelaufen ist: Anfang Dezember 2012 veranstaltete die IG Metall den internationalen Kongress „Kurswechsel – für ein gutes Leben“. Betriebsräte, Wissenschaftler, Politiker und Gewerkschafter aus aller Welt diskutierten über die Zukunft Deutschlands. Jetzt gibt es eine ausführliche Dokumentation über die Themen und Diskussionen.
Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie?
Stetig sinkende Wahlbeteiligung bei gleichzeitig steigender Politikverdrossenheit lassen vermuten: Auch die Demokratie steckt in einer Krise. Sie lebt davon, dass sich die Bürger beteiligen. Tun sie es nicht, gewinnen elitäre Interessen die Oberhand.
Auch der von der IG Metall angestrebte „Kurswechsel für ein gutes Leben“ kann nur funktionieren, wenn sich die Menschen beteiligen und einbringen, so die einhellige Meinung der Experten. „Wie also kann es uns gelingen, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen?“, lautete die einleitende Frage des Forums „Revitalisierung der Demokratie“.
Volksabstimmungen: Illusion und Realität
Volksabstimmungen sind "Schulen für die Demokratie", schreibt Wolfgang Merkel in "APuZ" (Aus Politik und Zeitgeschichte). Die Bürger mischen sich ein, erwerben Kenntnisse und Kompetenzen und erlernen das Bürger-Sein.
Doch geht "das Volk" tatsächlich zu Volksabstimmungen? - fragt der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher. Denn - so sein Fazit: Nicht das Volk in seiner Gesamtheit stimmt bei Referenden ab, sondern die höheren und mittleren Schichten, die Gebildeten - wie das Ein-Drittel-Referendum bei der Hamburger Schulreform gezeigt habe. Der Ausschluss der unteren Schichten werde somit erheblich beschleunigt.
Im Kern, befindet Merkel, sind Volksentscheide ein Instrument für die mittleren und oberen Schichten. Nicht mehr, sondern weniger Demokratie werde gewagt. Nicht "das" Volk entscheidet, sondern eine ausgedünnte Schrumpfversion des Volkes. "Das kann keine Perspektive für das 21. Jahrhundert sein", erklärt der Wissenschaftler.
Zum Interview in APuZ
"Wir haben marktkonforme Demokratien"
Im Gespräch mit der "tageszeitung" erläutert der britische Soziologe Colin Crouch das komplizierte Verhältnis von Kapitalismus und Bürgermacht. "Wir haben marktkonforme Demokratien", befindet Crouch. Die Bürger dürften zwar wählen, könnten damit aber nur begrenzt etwas beeinflussen. Deshalb sei Demokratie für Finanzmarktakteure eine komfortable Sache.
"Es gibt keine Unruhen, keinen Militärputsch. Das ist doch angenehm", meint der Soziologe. Aber: Die Bürger wollten auch einen Sozialstaat. Und zwar einen, der nicht Vorschriften macht, was für sie gut ist, sondern Hilfen gibt, damit sie selbst wählen können.
Zum Interview in der "tageszeitung"
Für eine "Internationale des Fortschritts"
Die Parteistrukturen des 20. Jahrhunderts entsprechen nicht mehr der politischen Realität. Das ganze demokratische System sei im Umbruch, sagt Nichi Vendola im Interview mit "zeit-online". Der linke Politiker aus Italien findet, dass politische Entscheidungen immer öfter außerhalb der demokratisch gewählten Institutionen getroffen werden.
Aber auch die politischen Ausdrucksmittel seien vielfältiger geworden, konstatiert Vendola und nennt Blogs, soziale Netzwerke und Zeltcamps von Occupy als Beispiele. Die Aufgabe der Parteien sollte es sein, sich diesen Einflüssen mit Vertrauen zu öffnen. "Wir sollten an einem internationalen politischen Netzwerk arbeiten", sagt er und plädiert für eine "Internationale des Fortschritts" - breit aufgestellt und unideologisch.
Zum Interview in zeit-online
Huber: Die IG Metall will einen Kurswechsel
Berthold Huber fordert in seinem Buch "Kurswechsel" ein neues Gesellschaftsmodell. Im Interview erklärt er, was ihn dazu bewogen hat, ein Buch zu schreiben und wie er den Menschen Mut machen möchte, sich an der Diskussion um den Kurswechsel für Deutschland zu beteiligen.
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