Den Gewerkschaften ist immer bewusst gewesen, dass eine entwickelte demokratische Gesellschaft auch eine Demokratisierung der Wirtschaft, dem Kernbereich gesellschaftlicher Macht, erfordert. Auf gesellschaftlicher Ebene bedingt dies ein verändertes Verhältnis von Politik und Ökonomie. Die Politik muss in der Lage sein, der Ökonomie Ziele und Regeln zu setzen und ihre Richtung bestimmen. In den Betrieben geht es darum, dass die Beschäftigten die Perspektiven ihres Unternehmens, ihrer Branche oder ihrer Region mitbestimmen können. Dazu muss es ihnen möglich sein, Einfluss auf Investitionsentscheidungen zu nehmen.
In jeder Etappe kapitalistischer Entwicklung stellt sich die Frage einer Demokratisierung der Wirtschaft in neuer Form. Sie hat heute wieder an Aktualität gewonnen. Ein wesentlicher Faktor ist das Verhalten finanzmarktgetriebener Investoren, die durch die Erwartung kurzfristiger, hoher Renditen die Zukunft von Betrieben bedrohen oder sogar versuchen, die lediglich vorhandene Substanz auszuschlachten. In der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008/2009 wurde deutlich, wie wichtig demokratische Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften und der betrieblichen Interessenvertreter für die Sicherung von Arbeitsplätzen und eine stabile Beschäftigungspolitik sind. Der bevorstehende ökologische Wirtschaftsumbau ist sicherlich die größte Herausforderung. Er kann nur sozial gerecht und mit der nötigen Verankerung in der Bevölkerung über eine intensive demokratische Beteiligung der Beschäftigten in den Betrieben gestaltet werden.
Heute geht es nicht darum, Modelle für eine ferne Zukunft zu konstruieren, sondern nach realistischen Chancen für mögliche Einflusswege auf Investitionsentscheidungen zu suchen. Dabei kommt es weniger auf Eigentumstitel, sondern auf das Zusammenspiel von durchsetzungsfähiger Betriebspolitik, gewerkschaftlicher Organisationsmacht und institutionellen Absicherungen an. Es geht nicht um formelle sondern wirkliche, von den Menschen getragene Vergesellschaftung.
Dazu sprechen folgende Experten:
Tarifautonomie, Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung sind die Kernelemente demokratischer Einflussnahme in der deutschen Wirtschaft. Für die deutschen Gewerkschaften sind diese Elemente von zentraler Wichtigkeit. Sie haben entscheidende Bedeutung für Mitgliederentwicklung und Durchsetzungsfähigkeit. DGB, IG Metall und die anderen Einzelgewerkschaften sind deshalb aufgefordert, sich selbst Rechenschaft abzulegen über den Zustand dieser demokratischen Ansätze, ihre Schwächen und Begrenzungen, die Möglichkeiten ihrer Verteidigung und Weiterentwicklung, in nationaler ebenso wie in europäischer Dimension.
Ich will in diesem Zusammenhang hinweisen auf das Memorandum des Ökumenisch-Sozialethischen Arbeitskreises HÖCHSTE ZEIT FÜR MEHR RECHTE AUS ARBEIT, das Berthold Huber vor wenigen Wochen überreicht worden ist und von der Web-Site der IGM heruntergeladen werden kann: http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/mitbestimmungs-memorandum-10621.htm