Für die IG Metall ist die Energiewende ein wichtiges Thema. Der Zweite IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel erläutert warum.
Wie will die IG Metall die Energiewende vorantreiben?
Detlef Wetzel: Wir werden uns öffentlich einmischen und von der Regierung fordern, dass den Worten endlich die notwendigen Taten folgen. Bei der Energiewende geht es nicht nur um eine andere Energie. Es geht auch darum, Rohstoffe und Strom zu sparen. Hier gibt es in den Betrieben viele Möglichkeiten. Wir wollen unsere Mitglieder und Betriebsräte für das Thema sensibilisieren und ihnen umfangreiche Informationen bieten. Unter anderem planen wir Arbeitskreise zum Beispiel für Ingenieure, in denen sie ihr Fachwissen einbringen können. Außerdem bieten wir Betriebsräten jetzt schon externe Fachleute an, die ihnen helfen zu checken, wo der Betrieb Energie einsparen kann.
Warum ist die Energiewende denn so wichtig für die IG Metall?
Weil sie die Abkehr von der gefährlichen Atomenergie bedeutet. Weil Kohle und Öl mit dem CO2-Ausstoß die Umwelt belasten und unsere Lebensgrundlagen zu zerstören drohen. Weil Sonne und Wind uns unabhängig machen von den knapper werdenden Rohstoffen anderer Länder. Und weil die Energiewende ein enormes wirtschaftliches und innovatives Potenzial bietet, zum Beispiel Kühlschränke, die weniger Strom verbrauchen. Die Unternehmen können Produkte und Autos umweltschonender und energiesparender ohne klimaschädliches CO2 herstellen. Wenn unsere stark exportabhängige Wirtschaft hier die "Nase vorn hat", stärkt das ihre Position im globalen Wettbewerb. Die Wirtschaft kann also zugleich etwas für's Klima tun und ihre Kosten senken. Sie kann ihre Wettbewerbsposition verbessern und Arbeitsplätze sichern.
Wissenschaftler rechnen mit fast einer Million Jobs in der Wind- und Solarindustrie.
Das hängt von der Regierung ab, wie sie die Energiewende gestaltet.
Die Energiewende wird gern mit einem Marathonlauf verglichen. Danach haben wir noch nicht mal die ersten fünf der rund 42 Kilometer Strecke hinter uns. Einige sagen sogar: erst 50 Zentimeter.
Ich habe das nicht nachgemessen. Aber nehmen wir das Beispiel Netzausbau: Der findet bisher nicht statt. Er ist jedoch dringend notwendig, um Windstrom aus dem Norden nach Süden zu befördern. Bis 2016 sollen 1834 Trassenkilometer gebaut werden. Realisiert sind bisher 214.
Woran liegt es?
Das Regierungskonzept ist das alte - nur ohne Atomenergie. Es fehlt der Wille zur echten Wende. Es reicht nicht, zu dem Thema nur Blockierer einzuladen, wie die vier großen Energieversorgungskonzerne, die nur ihre konventionellen Großkraftwerke verteidigen. Erneuerbare Energie muss zur Leittechnologie werden. Aber zurzeit sind Kräfte am Werk, die ihren Anteil so klein wie möglich halten wollen. Das zeigt sich sehr deutlich beim Umgang mit der Photovoltaik: Statt sie voranzubringen, wird die Förderung gekürzt und der weitere Ausbau begrenzt.
Wird es mit Umweltminister Peter Altmaier besser?
Es wird sich zeigen, ob er sich aus der Umklammerung der Lobbyisten befreit und die alten Machtstrukturen durchbricht. Ich bin da allerdings nicht besonders optimistisch.
In der Photovoltaik beherrschen zurzeit Pleiten und Krisen das Bild. Was muss passieren?
Wenn Länder wie China deutsche Hersteller mit Kampfpreisen unter den Fertigungskosten vom Markt drängen, muss die Politik gegensteuern. Man könnte den Import für Produkte beschränken, die in Ländern unter unsauberen Methoden produziert werden. Wir brauchen eine Industriepolitik, die in Europa erneuerbare Energie aus Wind und Sonnenkraft gezielt fördert. Das gilt vor allem für die Forschung und Entwicklung. "Made in Europe" muss ein Qualitätssiegel werden.
Auch die Kraftwerksbauer haben Probleme. Sie leiden zurzeit unter Auftragsmangel.
Weil unklar ist, wohin die Reise politisch geht, investieren natürlich auch die Kraftwerksbetreiber nicht in neue Anlagen. Da geht es schließlich um riesige Investitionssummen. In den nächsten 40 Jahren werden wir aber auf neue Kohle- und Gas-Kraftwerke nicht verzichten können. Darum muss die Politik endlich für eine verlässliche Planungsgrundlage für die einzelnen Energieträger sorgen.
Die Bürger sind nicht immer begeistert davon, was sie als Energiewende erleben: Landschaften werden durch Windräder "verspargelt" und mit Hochspannungsleitungen durchzogen.
Manche dieser Initiativen sind von interessierten Kreisen gesteuert. Aber die Probleme gibt es natürlich. Man kann den Bürgern die Leitungen und "Spargel" nicht einfach vor die Nase setzen. Sie wollen mitreden können. Viele Kommunen haben mit Bürgerbeteiligung schon gute Erfolge erzielt. Den meisten Menschen ist ja klar, dass Sonnen- und Windenergie Riesenvorteile bieten. Angesichts der Tatsache, dass konventioneller Strom knapper und teuerer wird, ist erneuerbare Energie langfristig der einzige Weg, bezahlbaren Strom zu erzeugen.
Die Energiewende kostet Milliarden. Eine dreiköpfige Familie bezahlt jetzt schon monatlich acht Euro mehr für Strom, um grüne Energie zu fördern. Müssen die Verbraucher noch mehr bezahlen?
Nein. Natürlich kann es nicht sein, dass Hartz-IV-Empfängern der Strom abgestellt wird, weil sie die Energie-Umlage nicht bezahlen können. Die Kosten müssen gerecht verteilt werden zwischen Anbietern, Steuerzahlern und Verbrauchern. Auch die Atomenergie wurde stark subventiert. Das erschien nicht auf der Stromrechnung, aber die Steuerzahler mussten sie im Laufe der Zeit mit zig Milliarden unterstützen. Die Herstellungskosten bei der Wind- und Sonnenenergie werden immer geringer - Sonne und Wind kosten nichts. Auf Dauer ist Ökostrom für die Verbraucher erheblich preiswerter als herkömmlicher.