Harald Frick, Betriebsratsvorsitzender der Conergy SolarModule GmbH & Co. KG , Frankfurt (Oder), über die aktuelle Lage in der deutschen Solarbranche.
Auch 2012 leidet die Solarbranche weltweit unter dem anhaltenden Preisverfall. Viele deutsche Unternehmen sind dem hohen Kostendruck erlegen und gehen in Insolvenz, schließen Produktionsstandorte oder verschlanken sich durch Restrukturierungen. Der enorme Aufbau von Produktionskapazitäten im asiatischen Raum in den vergangenen Jahren und die nicht mitwachsende Nachfrage lassen die Preise weiter sinken. Nur wenige Unternehmen sind überhaupt noch in der Lage, mit Photovoltaik Geld zu verdienen. Es geht oftmals um das nackte Überleben in einer jungen Industrie.
Conergy konnte sich 2012 dem allgemeinen Abwärtstrend entziehen und operativ wieder schwarze Zahlen vorweisen. Das ist uns nur gelungen, weil unser Schrumpfungsprozess schon im vergangenen Jahr vollzogen wurde. Mit Stilllegung von Wafer- und Zellproduktion haben wir unsere Kosten in den Griff bekommen. Da wir jetzt Zellen und Wafer einkaufen, profitieren wir vom allgemeinen Preisverfall im Solarsektor. Die alleinige Fokussierung auf die Modulherstellung lässt uns kurzfristig auf den Markt reagieren. Diese hohe Flexibilität bei guter Kostenkontrolle sind Wettbewerbsvorteile in einem hochvolatilen Solarmarkt.
Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Produktion sind diesen kurzfristigen Marktanpassungen vollständig unterworfen. Hohe Auslastung wird von Kurzarbeit und Überstundenabbau abgelöst. Der Kostendruck in der Solarbranche dient als Totschlagargument bei der Forderung nach gerechtem Lohn, oder schlimmer noch: bei gewerkschaftlichen Aktivitäten.
Die Verschlankung scheint eine Überlebensstrategie zu sein. Nur der Standort Deutschland verliert Stück für Stück seine technologische Führerschaft in der Zukunftsbranche Photovoltaik. Forschung und Entwicklung werden zum Luxus. Die deutsche Politik setzt auf die heilende Kraft des Marktes und schaut dem Untergang vieler Unternehmen tatenlos zu. Diese sogenannte Konsolidierung reißt tsunamiartig deutsche Spitzentechnologie fort oder sie geht an ausländische Investoren.
Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass in den kommenden 50 Jahren die solare Stromerzeugung ein wichtiger Pfeiler der weltweiten Energiegewinnung sein wird. Zukunftsforscher gehen von einem Anteil von 50 Prozent solarer Energiegewinnung aus. Indien, Pakistan, Marokko, Chile, USA und viele andere Länder planen in den kommenden Jahren gigantische Solarfelder. Deutschland riskiert als Solar-Vorreiter, diesen Markt zu verlieren.
Deutschland hat in den letzten zehn Jahren durch die Förderung von Solarstrom Pionierarbeit für die weltweite Solarindustrie geleistet. Der deutsche subventionierte Absatzmarkt war das Fundament für den gigantischen Ausbau der weltweiten Solarindustrie. Die Geister, die damit gerufen wurden, haben die heimische Solarindustrie an den Rand gedrängt.
Aus meiner Sicht sollten unsere Solarunternehmen versuchen, in den aufstrebenden Solarmärkten in Asien, Nord- und Südamerika - und nicht zu vergessen Afrika - deutsche Spitzentechnologie mit hoher Langlebigkeit anzubieten und so ihren Umsatzanteil in Deutschland und Europa zu verringern. Weltweite Aktivitäten könnten die Nachfrage nach Solarprodukten stabilisieren und künstlichen Einbrüchen durch politische Störmanöver, kurzfristige Kürzungen der Einspeisevergütung oder Senkung der Zubauzahlen entgehen:
- durch günstige KFW-Kredite, um dem Investitionsdruck in modernere Anlagen gerecht werden zu können,
- Einsatz für faire Marktbedingungen im internationalen Wettbewerb,
- Überarbeiten der EEG-Umlage und
- Werbekampagnen für sauberen Strom.
Die EEG-Umlage in ihrer jetzigen Form erweist sich als wenig praktikabel. Solarstrom als ernstzunehmende Größe im Energiemix lässt die Börsenpreise purzeln und macht sich selbst dadurch teurer. Neue Vergütungsmodelle müssen auf den Weg gebracht werden. Grüner Strom ist Markenstrom. Auf den Wühltisch gehören atomarer und fossiler Strom. Ein neues Preisbewusstsein muss her.