Im finanzmarktgetriebenen Kapitalismus werden Management-Entscheidungen immer kurzfristiger und renditeorientierter. Daher brauchen die Beschäftigten und ihre Interessenvertreter mehr Beteiligungsrechte, um die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens, Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätze zu sichern. Dies war Thema des Forums 12 "Demokratie in der Wirtschaft" auf dem Kurswechsel-Kongress der IG Metall.
Die Dominanz der Finanzmärkte führt zu einer immer mehr auf kurzfristige Rendite ausgerichteten Unternehmensführung. Die leidtragenden sind die Beschäftigten in den Betrieben: Langfristige Investionen in die Zukunft von Betrieben und Arbeitsplätzen bleiben aus. Wirtschaftliche Kennzahlen erhöhen den Druck in allen Bereichen. Management und oft anonyme Eigentümer wechseln in immer rascherer Folge.
Wir brauchen mehr Beteiligungsrechte - bis hin zu Anteilen am Kapital
Ein besonders extremes Beispiel stellte Jürgen Hennemann, Betriebsratsvorsitzender von FTE Automotive im Forum 12 "Demokratisierung der Wirtschaft" auf dem Kurswechsel-Kongress der IG Metall in Berlin vor: Der Betrieb wurde dreimal innerhalb weniger Jahre weiterverkauft, zuletzt zweimal an Finanzinvestoren. Bei jedem Verkauf stiegen die Schuld- und Zinslasten, die die Beschäftigten mit mehr Leistung erwirtschaften mussten. Zugleich blieben Investitionen in Forschung und Maschinen aus.
So nicht mehr, sagten sich Hennemann und seine Kollegen. Als der nächste Weiterverkauf anstand, machten sie mit Aktionen Druck: "Wir haben gesagt, wir wollen da mitbestimmen", erklärt Hennemann. "Wir wollen wissen: Mit wem wird verhandelt? An wen verkauft? Und dann wollen wir eine Betriebsvereinbarung zur Sicherung von Standort, Beschäftigung, Investitionen und Tarifen."
Die FTE-Beschäftigten haben es geschafft. "Jeder hat verstanden. Es geht darum: Wer hat was zu sagen?"
Aus dieser Erfahrung heraus fordert Hennemann mehr Beteiligung für die Beschäftigten: Von mehr Mitbestimmungsrechten - bis hin zu Beteiligungen am Kapital.
Die Ausweitung der Mitbestimmung ist möglich - auch über Deutschland hinaus
Doch wie kann die Ausweitung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte funktionieren? Über neue Gesetze einerseits. Aber auch auf Unternehmensebene - wenn die Arbeitnehmerseite stark genug ist. Ein Beispiel hierfür ist der Volkswagen-Konzern, das die Generalsekretärin der Konzerbetriebsrats, Alexandra Baum-Ceisig, im Forum vorstellte.
Dank des VW-Gesetzes, dass dem Betriebsrat unter anderem ein Vetorecht bei Standortentscheidungen zusichert, haben die Arbeitnehmervertreter ihre Mitbestimmung ausgeweitet. Die neue "Charta der Arbeitsbeziehungen" bei VW bietet nun auch Betriebsräten in ausländischen Standort die Möglichkeit, Mitbestimmungsrechte aus derr deutschen Betriebsverfassung zu erwerben.
"Klar gibt es da auch Arbeitnehmervertreter die lieber einen konfliktorischen Weg gehen", räumt Alexandra Baum-Ceisig. "Aber der Großteil der ausländischen Kollegen ist da sehr aufgeschlossen. Die haben ja auch gesehen, dass wir durch unsere Mitbestimmung viel erreichen können. Etwa die Rettung des Werks in Brüssel."
Demokratisierung der Wirtschaft als Chance für die Gewerkschaftsbewegung
Auf Unternehmens- und Betriebsräte kann die Ausweitung der Mitbestimmung gelingen, um der Kurzfristigkeit unternehmerischer Entscheidungen Einhalt zu gebieten - wenn Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften stark genug sind. Doch das grundsätzliche Problem, nämlich dass der finanzmarktgetriebene Kapitalismus zutiefst undemokratisch ist und zudem die Politik zu einem neoliberalen Kurs gegen die Interessen der Menschen zwingt, ist dadurch nicht zu lösen, meint der britische Sozialwissenschaftler Richard Hyman. "Die Gewerkschaften brauchen eine neue Vision, eine glaubhafte Utopie: Die Demokratisierung der Wirtschaft. Die Gewerkschaften müssen das den Menschen in einfachen Worten erklären: Es geht darum: Was machen wir mit dem Geld? Und wer entscheidet?"
Um das zu schaffen, müssten die Gewerkschaften sich jedoch verändern und selbst noch demokratischer werden, damit eine echte organische Solidarität entstehen kann. Die IG Metall habe schon gezeigt, wie das geht: Mit ihrer "Operation Übernahme" für feste Jobs nach der Ausbildung. Eine Bewegung, die tatsächlich von unten gekommen ist und von den Jugendlichen vor Ort gestaltet wurde, lobte Hyman.
Formen der Beteiligung - und wie erreichen?
Die Diskussion im Forum drehte sich im Wesentlichen um mögliche Formen der Mitbestimmung und der Beteiligung. Bertin Eichler, Hauptkassierer der IG Metall, hält Unternehmensformen wie Stiftungen oder Genossenschaften durchaus für sinnvoll. In der Industrie gehe es jedoch zunächst um die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte. Doch dazu müssten die Gewerkschaften mehr Macht aufbauen und vor allem in den Betrieben stark sein.
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