Vom Kaputtsparen hält der amerikanische Ökonom Nouriel Roubini nichts: "Sparen ist notwendig, aber kurzfristig schadet es dem Wachstum." Diese und andere Thesen stellte Roubini anlässlich der Eröffnung des Internationalen Kurswechselkongress der IG Metall heute in Berlin vor. Der scharfsinnige Analytiker gehört zu den bekanntesten US-Ökonomen und unterrichtet seit 1995 an der berühmten "Stern School" der Universität New York Wirtschaftswissenschaften. Berühmt wurde er, als er 2006 die Finanzkrise voraussagte, die dann ein Jahr später eintraf.
Gründe für die Finanzkrise zwischen 2007 und 2009
Zunächst analysiert der Ökonom die Finanzkrise zwischen 2007 und 2009 und ihre Auswirkung auf die aktuelle Volatilität der Wirtschaft. Roubinis Meinung nach wurde die Finanzkrise zwischen 2007 und 2009 getrieben von Spekulationen und zu wenig produktiven Gütern. Roubini: „Zu viel Laissez fair, zu viel Marktliberalismus.“ Das habe zu einer Blase geführt und schließlich zum Crash. Die Regulierungsbehören hätten geschlafen.
Die tiefere Frage, die ihn beschäftige sei: Warum haben alle diese Länder beschlossen, ihre Finanzsysteme zu liberalisieren? Warum haben zu viele private zu viele Kredite aufgenommen? Die Gründe für die Krise der Jahre 2007 bis 2009 liegen 20 Jahre zurück. Das Realeinkommen von Arbeitnehmern stagnierte und die Ungleichheit bei den Einkommen wurde größer. Und deshalb mussten die Beschäftigten, vor allem in den USA – oft sehr verzweifelt - Kredite aufnehmen, um ihren Lebensstandard zu sichern. Und das hat schließlich zur Blase geführt und dann zum Crash, zur Krise.
Hier hätte eine sogenannte Keynesianische Wirtschaftspolitik helfen können, also die Konjunktur über den Staat anzukurbeln. Doch was folgt? Die Bankenrettung. Die belohnte zwar die falschen, aber es war nötig, um das System zu retten, betont Roubini. Das nicht zu tun, hätte zum Zusammenbruch der Realwirtschaft geführt.
Staatsverschuldung drosselt das Wachstum
Doch was zeichnet die Wirtschaftserholung zwischen 2010 und jetzt aus? Unterschiedliches Wachstum zwischen Europa, Amerika, Osteuropa, Asien und Lateinamerika, sagt der Ökonom. Die Erholung gehe aber in allen Ländern einher mit einer hohen Staatsverschuldung. Das wiederum führt jetzt zu einem starken Sparen. Das wiederum drosselt das Wachstum und sorgt damit für Arbeitslosigkeit. Das ist fast überall zu beobachten.
Und wie geht es weiter?
- Deutschland hängt vom Export nach China, Asien und Europa ab. Andererseits seien Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Belgien sowie Finnland die Kernländer der Eurozone. Diese Kernländer – betont Roubini - könnten die Eurokrise überwinden. Aber: „Die Wirtschaftsschwäche droht sich von der Rändern der Eurozone auf ihren Kern auszudehnen, Frankreich steuert auf eine Rezession zu“, beobachtet Roubini. Und das sei schlecht für das Exportland Deutschland.
- Die Rezession wird noch mindestens ein weiteres Jahr andauern. Denn überall werde bei den Staatsausgaben gespart. Auch das betreffe das Exportland Deutschland.
- Es gibt eine Kreditklemme bei den Banken. Das bedeutet für mittelständische Unternehmen in Spanien, Portugal oder Italien: Sie gehen pleite, weil sie kein Geld mehr geliehen bekommen.
Roubinis Forderungen
Roubini fordert in Berlin die Europäer auf, weniger über Reformen zu reden und mehr für Wirtschaftswachstum zu tun. Weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und eine weniger rigide Sparpolitik seien der richtige Weg für mehr Wachstum
Roubini kritisiert die Geldpolitik in der Eurozone. Diese sei noch straffer als in den USA oder Japan. "Spielraum für Zinssenkungen gibt es noch - warum zögert die EZB?" Seien Idee: den Satz für Einlagen der Geschäftsbanken, also die sogenannten Leitzinsen, bei der EZB unter null zu setzen. Denn niedrigere Leitzinsen hätten die Nebenwirkung, dass der Wechselkurs des Euro sinken würde. Den Eurokurs hält Roubini für überbewertet. "Deutschland kann damit gut leben, aber die Peripherieländer brauchen eine Abschwächung", sagt er.
Europa braucht eine Wirtschaftseinheit. Es werde viel zu viel über eine Finanzeinheit geredet und zu wenige über Wachstum. „Ohne Wachstum wird die soziale Ungleichheit immer größer werden und der soziale Frieden ist gefährdet“, warnt der Ökonom. Deutschland fehlt ein Konjunkturprogramm, fordert er. „Ich fürchte für die Eurozone, dass sie das Wachstum nicht genug in den Mittelpunkt stellt.“ Der US-Ökonom plädiert außerdem dafür, ein Programm für Infrastrukturinvestitionen durch Eurobonds aufzulegen.
Roubini: „Ohne Wachstum bricht die Eurozone auseinander.“ Leider sei vor allem die deutsche Regierung gegen ein solches Programm, bedauert der Wissenschaftler.