Verkehrsverbindungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft bilden die Hauptschlagadern der Wirtschaft. Doch Mobilität stößt an Grenzen. Klimawandel, schwindende Öl- und Gasvorkommen, verstopfte Straßen und Luftwege fordern die Industriestaaten heraus. Wie können sie in Zukunft mobil bleiben, ohne die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören? Welche Alternativen gibt es zu fossilen Brennstoffen? Über diese Fragen diskutierten Betriebsräte aus der Verkehrsindustrie, Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung bei Volkswagen, und Klaus Beckmann, Direktor des Deutschen Instituts für Urbanistik.
Verkehrsplanung und –industrie muss nicht nur aus ökologischen Gründen umdenken. Eine schrumpfende und älter werdende Bevölkerung stellt neue Ansprüche an Mobilität. Mehr Menschen ziehen wieder in die Städte. Hier stößt der Verkehr an räumliche Grenzen. Auf der einen Seite spielt das Auto bei jungen Menschen eine geringere Rolle. Wer jünger ist als 35 besitzt heute seltener ein Auto als vor zehn Jahren, und er benutzt es auch seltener. In Großstädten wie Berlin nutzen heute weniger Menschen das Auto, dafür fahren mehr mit Bus und Bahn oder Fahrrad. Auf der anderen Seite kaufen immer mehr Menschen im Internet ein und lassen sich ihre Waren nach Hause liefern. So entsteht neuer Verkehr.
Nachdenken über Infrastruktur reicht Klaus Beckmann vom Deutschen Institut für Urbanistik nicht aus, um sich auf diese veränderten Bedingungen einzustellen. Er fordert eine neue Verkehrspolitik. „Wir brauchen ein System, in dem die verschiedenen Verkehrsmittel ineinandergreifen. Wir müssen den Verkehr in unseren Städten intelligenter betreiben.“ Ein Hindernis auf dem Weg zu einem intelligenten und umweltverträglichen Stadtverkehr sieht Beckmann allerdings in den oft leeren öffentlichen Kassen. „Die Schuldenbremse wird der Verkehrspolitik Probleme bereiten. Das Geld wird knapper.“
Für den Arbeitsmarkt erwartet Beckmann von zukunftsfähigen Verkehrssystemen neue Impulse. Neue Produkte wie Pedelec, elektronisches Fahrrad oder Auto müssen produziert werden. Aber auch neue Dienstleistungen werden neue Arbeitsplätze schaffen. Allerdings dürfte es das alles nicht zum Nulltarif geben, fürchtet Beckmann. „Ich denke, dass Mobilität deutlich teurer wird.“
Vermeiden, verlagern, verbessern
Verkehr ist nicht gleich Verkehr. Auf dem Land haben die Menschen andere Mobilitätsprobleme als in der Stadt, und in Hamburg andere als in Tokyo. Deshalb gibt es für Jürgen Leohold von Volkswagen keine Musterlösung für alle Probleme. Von einem ist er allerdings überzeugt: „Das Auto bleibt unverzichtbar.“ Er wies daraufhin, dass Bus und Bahn schon heute in den Hauptverkehrszeiten ausgelastet sind. „Das Auto macht 80 Prozent des Verkehrs aus. Das können wir nicht einfach von heute auf morgen abstellen.“ Leohold nennt drei Strategien, die zukünftigen Verkehrsprobleme zu bewältigen:
- Verkehr vermeiden
- Verkehr verlagern
- Autos verbessern
Vor allem beim dritten Punkt sei die Autoindustrie gefragt. Hier geht es darum, die Autos leichter zu machen und den Verbrauch zu verringern. Eine Alternative zu den Benzin und Diesel sei Erdgas, das wesentlich weniger CO2 ausstößt. „Es hat den Vorteil, dass wir dafür die vorhandene Technik nutzen können“, sagt Leohold. Elektro-Autos seien vor allem für Kurzstrecken interessant. Allerdings machen sie ökologisch nur Sinn, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommt. „Diese Frage können wir nur gemeinsam mit der Energiewende lösen.“
Licht und Schatten
Die Betriebsräte der Verkehrsindustrie stehen der Entwicklung zwiespältig gegenüber. Auf der einen Seite sehen sie durchaus Chancen in einer ökologischen und nachhaltigen Entwicklung ihrer Produkte. Bereits heute investieren die Unternehmen in die Entwicklung sparsamerer und umweltfreundlicher Autos, Flugzeuge oder Lkw. Neue Technik muss entwickelt werden. Das schafft Arbeitsplätze. Wer beim Umweltschutz vorangeht, kann sich im Wettbewerb Vorteile verschaffen, spätestens wenn Grenzwerte für Schadstoffausstoß steigen. Auf der anderen Seite fürchten vor allem Beschäftigte in der Autoindustrie um ihre Arbeitsplätze. Für die Betriebsräte kann der Wandel nur funktionieren, wenn es für die Beschäftigten Sicherheit gibt. Dies gelinge nur, wenn der Umbau langsam und nachhaltig verlaufe, über neue Antriebstechniken, aber auch über neue Produkte.
Für die Betriebsräte gehört aber auch die Frage, wie sich Verkehr vermeiden lässt, zu einem guten Leben. Die möglichen Folgen des Klimawandels lassen keinen kalt. Deshalb geht es auch darum, den Abbau des Schienenverkehrs zu verhindern oder über eine regionale Versorgung der Unternehmen nachzudenken. Denn Verkehr produzieren auch Unternehmen, die immer mehr Produktion auslagern, auf Lagern verzichten und alles Just-in-Time liefern lassen. Sie machen die Straße zu ihrem Lager.
Alle zusammenbringen
Einen ökologischen und nachhaltigen Umbau des Verkehrs kann es für Jürgen Kerner nur geben, wenn alle zusammen daran arbeiten. „Wenn es darum geht, wie wir die Welt nachhaltig entwickeln wollen, müssen wir alle gesellschaftlichen Gruppen an einen Tisch bringen“, sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall. Er forderte ein stärkeres Primat der Politik. Sie müsse Vorgaben machen, um den ökologischen Umbau voranzubringen. „Wir brauchen eine nachhaltige Strukturpolitik, wir brauchen nachhaltiges Wachstum, wir brauchen weniger Ressourcen- und Energieverbrauch, und wir brauchen ein System für Ballungsräume“, sagte Kerner. Dafür werde es nicht ein Rezept geben, sondern viele verschiedene.
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